Meine beiden Enkel, 10 und 6 Jahre jung, waren noch nie mit dem Zug gefahren. Also plante ich, sie von ihren Ferien bei uns per Bahn nach Hause zu bringen. Dem Kleinen war das ziemlich egal. Der Große hätte Angst davor, erzählte mir meine Tochter, woraufhin ich ihm einen Brief schrieb und über die schönen Bahnerlebnisse in meiner Kindheit berichtete. Daraufhin wollte er es probieren – und ich konnte die Fahrt buchen.
Im Gießener Bahnhof durften die beiden sich eine Süßigkeit für unterwegs aussuchen, danach bestiegen wir die Lahn-Eifel-Bahn, bestehend aus 2 Triebwagen. Sie stand lange vor der Abfahrt mit warmen Abteilen bereit, so dass es Gelegenheit gab, den Bahnhof zu betrachten. Wieviel Uhren sieht man von hier? Die Wagen sind oft schön bunt. Das sind aber eine Menge Schienen. Ob mal ein Zug ganz nah an uns vorbeifährt? Dann ging es auf die Minute pünktlich los Richtung Wetzlar. Kaum losgefahren, kam schon der Schaffner. Als ich sagte, dass es die erste Bahnfahrt der beiden sei, bekamen sie eine extra Kinderfahrkarte mit einem schönen Bild drauf geschenkt. Und der Schaffner nahm sich Zeit für einige Erklärungen. „Oma, schau mal, da ist der Berg mit dem Fernsehturm, den man von euch sieht.“ Ein See! Nein die Lahn, korrigierte ich. Und hinter Wetzlar passierte etwas, was die meisten von uns von Schulausflügen kennen, kaum ist man unterwegs……Bei den beiden normalerweise schlechten Essern hatte ich es nicht erwartet: Die zu Hause geschmierten Brötchen wurden ausgepackt und genussvoll verspeist.
„Da sind Leute, und Radfahrer, und Hunde“. Es war Zeit, ihnen die beiden Notizblöcke zu geben, die ich mitgenommen hatte. Beide Jungen hatten einen kleinen Tisch vor sich. Mika schrieb alles auf, was er sah; und als es sich wiederholte, machte er dahinter eine Strichliste. (Hinter einem später schwer lesbaren Wort versteckten sich 2 Radlader, die hatte er gar nicht erwähnt). Emil, gerade erst eingeschult, begnügte sich mit den Zahlen 1 und 2. „Weißt du später noch, was sie bedeuten?“ fragten wir ihn. „Nö, das ist auch egal.“
Begeisterung über den ersten Tunnel, den zweiten, den dritten. „Oma, du hast doch gesagt, es gibt keine, und jetzt sind es 17“, triumphierte Mika, als wir in Koblenz ausstiegen. (Zu meiner Entschuldigung: Meine bisher einzige Fahrt auf dieser Strecke liegt 50 Jahre zurück – und ich hatte andere Interessen.) Auch den „See“ gab es immer wieder, also die Lahn. Wir haben die Brücken auf dieser Fahrt nicht gezählt, aber wer will, kann das ja an Hand der abgebildeten Karte selber tun.
Begeistert waren die zwei auch über die beiden Wehre hinter Weilburg, bezeichneten sie als Wasserfälle. Enten und Schwäne wurden freudig begrüßt und die Motorboote an der unteren Lahn als Yachten bezeichnet. Der Limburger Dom wurde zum Schloss, blieb es auch, als ich den Vergleich mit dem Kölner Dom brachte, den sie kennen. Ich selber entdeckte auf zwei Campingplätzen, die ich bisher nur vom Auto gesehen hatte, viel versprechende Restaurants.
Eine vom Auto her nicht gekannte Besonderheit bestand natürlich darin, dass man im Zug spazieren gehen konnte und auch für den Toilettenbesuch nicht extra an eine Raststätte fahren musste.
Als wir Koblenz erreichten, sagte Emil voller Überzeugung „Bahnfahren ist toll!“ Mika äußerte sich erst abends, auch positiv.
Im ICE spielten dann beide mit ihren Handys (die Landschaft rast viel zu schnell vorbei), aber im Regionalzug von Köln nach Düren, wo sie sofort ins Obergeschoss kletterten, wurde wieder geguckt und erzählt.
Für die ganze Fahrt zu dritt habe ich inklusive Platzreservierung im ICE 32€ bezahlt. Alle Züge fuhren pünktlich ab, alle Anschlüsse wurden erreicht. –
Als ich am nächsten Tag alleine zurückfuhr, war der Anschlusszug nach Gießen schon weg. Aber ich konnte sitzenbleiben bis Frankfurt. (Wenn ein Anschluss nicht erreicht wird, kann man j e d e n anderen Zug benutzen. Vielleicht sollte ich mal gucken, ob es da welche gibt, für die ich gerne eine Verspätung in Kauf nehmen würde) So entging mir zwar die Lahntalstrecke, aber ich fuhr nach Jahren mal wieder linksrheinisch durch das wunderschöne Mittelrheintal, deutsche Romantik pur. Dass ich 50 Minuten später in Gießen ankam, störte mich nicht, ich hatte mir ja viel Zeit eingeplant.
Fotos Ev. Renell